Ich arbeite seit über 20 Jahren in der Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie. Als Marketingleiter habe ich Verantwortung für Marken, Sortimente und Absätze in Europa, den USA und Afrika übernommen. Als Verkaufsdirektor war ich in Österreich und in anderen europäischen Ländern aktiv.
Der Lebensmittelhandel ist nicht nur hoch spezialisiert und systematisiert, er ist immer auch mehrstufig. Ich denke, dass diese 3 Eigenschaften (spezialisiert, systematisiert und mehrstufig) sich auch gegenseitig erfordern. Denn wie soll ein mehrstufiges Handelssystem funktionieren, wenn es nicht in höchstem Maße spezialisiert ist? Ich habe also viel Erfahrung gesammelt und auch schon einiges gesehen, was super lief oder auch gar nicht so toll.
Deshalb möchte ich in diesem Blogartikel darauf eingehen, wie du mehrstufige Handelssysteme tatsächlich zum Erfolgsfaktor in deinem Vertrieb machen kannst. Dabei werde ich auf die Vorteile dieser Systeme eingehen, aber auch auf die Herausforderungen, die sich dir stellen werden.
Mehrstufige Handelssysteme sind Vertriebsmodelle, die mehrere Ebenen von Verkäufern und Distributoren umfassen. Dabei wird das Produkt oder die Dienstleistung von einem Hersteller an einen Großhändler verkauft, der es wiederum an Einzelhändler weiterverkauft. Diese verkaufen es schließlich an den Endkunden.
In diesem Artikel werden wir uns auf diese mehrstufigen Systeme fokussieren - bedenke aber, dass es jederzeit sein kann, dass du neben diesen Modellen auch direkte Verkäufe tätigst. Dann sprechen wir von Multichannel Systemen, also mehreren Vertriebskanälen, die du gleichzeitig bedienst (dazu komme ich in einem späteren Blogartikel).
Um mehrstufige Handelssysteme besser zu verstehen, hier ein fiktives Praxis-Beispiel.
Nehmen wir an, du stellst in Italien Mozzarella her und willst diese an Konsumenten in Österreich verkaufen. Du hast den Markt analysiert und kommst zu dem Schluss, eine Packung mit Bio Mozzarella 200 g, das wäre ein gutes Geschäft für dich in Österreich.
Um in Österreich die Konsumenten zu erreichen, musst du also folgende Stufen managen und überwinden - denn sonst kommt deine Ware nie an die Zunge deiner Konsumentin und des Konsumenten.
1 Distributor: Jemand führt die Ware in Österreich ein (Logistik, Supply Chain …) und kennt den Markt, um Sortimente, Preise, Zielgruppen … am besten zu steuern. Häufig gehört dieser Distributor zu deinem Unternehmen oder wird von einem deiner Manager eng betreut.
Deine Kontrolle: hoch, dein Kontakt zur nächsten Stufe: (sehr) gut
2 Großhandel: Du vertreibst deine Ware an einen nationalen Großhändler. Dieser kann auf unterschiedlichste Kanäle (Konsumenten, Gastronomie, B2B …) spezialisiert sein und du suchst einen oder mehrere Großhändler aus. An diesen verkaufst du deine Ware, sie gehört also nicht mehr dir und damit gibst du diesem Kunden einen sehr hohen Einfluss auf die Vermarktung deines Produktes. Gleichzeitig kannst du aber auch auf seine Stärken in der Distribution und Kontaktpunkte in die nächste Stufe zurückgreifen.
Deine Kontrolle: gering - mittel, dein Kontakt zur nächsten Stufe: mittel - gut
3 Einzelhandel: Der Großhandel gibt deine Produkte an den Einzelhandel weiter. Wenn man sich die großen österreichischen Handelsketten ansieht, dann ist es meist so, dass etwa die Spar ihre Produkte über ihren Großhandel und ihre eigene Logistik an die Spar Einzelhändler weitergibt. Diese können direkt von Spar betrieben werden oder sind selbstständige Kaufleute. In dieser Stufe bestimmt ausschließlich dein Kunde welche Preise, Platzierungen und Aktivitäten er für dich durchführt. Einen gewissen Einfluss auf die beiden letzten Punkte hast du über Vereinbarungen zur Verkaufsförderung. Der Preis entzieht sich nun aber komplett deinem Einfluss.
Deine Kontrolle: gering, dein Kontakt zur nächsten Stufe: gering - mittel (etwa durch hohe Werbebudgets)
4 Käufer/Konsument: Bleiben wir in dem Beispiel mit dem Einzelhandel, dann ist die Endabnehmerin eine Hhf. Ganz genau, so nennen wir das. Hhf = „Haushaltsführende“. Also eine Person, größtenteils eine Frau, die für den Haushalt die Einkäufe tätigt. Sie trifft ihre Kaufentscheidung am POS (Point of Sale) nach rationalen und emotionalen Kriterien, über die es sehr viele Studien gibt und die wir hier nicht berühren. Wenn sie die Packung Mozzarella kauft, oder eben nicht, bist du immer noch nicht bei deinem Konsumenten. Der Mozzarella ist ja noch nicht gegessen.
Wir beenden an dieser Stelle unsere Überlegungen und nehmen an, dass wir eine potenzielle Kundin gefunden haben, die dein köstlicher Mozzarella auch tatsächlich verzehren wird.
Lassen wir vorerst sämtliche andere Zielgruppen wie Pizzabäcker, Industrieunternehmen oder Schulen außer Acht. Denn für all jene benötigst du zusätzliche Kanäle, um deine Marke und Produkte erfolgreich zu vermarkten. Somit musst du zahlreiche Ebenen managen, um deine Ziele zu erreichen.
Mehrstufige Handelssysteme werden häufig von Unternehmen eingesetzt, die eine breitere Reichweite erzielen wollen und ihre Produkte an verschiedene Arten von Käufern vermarkten möchten. Das können sehr unterschiedliche Produkte wie Lebensmittel, Möbel, Nike Laufschuhe, Apple iPhones etc. sein.
Diese Systeme sind oft sehr komplex und bedürfen einer speziellen Managementstrategie, um sie erfolgreich zu managen. Es ist wichtig, klare Kommunikationswege zwischen den verschiedenen Ebenen aufzubauen und sicherzustellen, dass jeder Partner eine klare Vorstellung von seinen Aufgaben und Verantwortlichkeiten hat.
Hier eine Übersicht über weitere mehrstufige Handelssysteme, die wir in diesem Blogbeitrag nicht näher betrachten:
Um mehrstufige Handelssysteme tatsächlich zu einem Erfolgsfaktor in deinem Unternehmen zu machen, musst du ein hohes Maß an Informationen gut managen. Die Komplexität ist nicht zu unterschätzen.
Sehen wir uns also kurz folgende Bereiche und die Auswirkung eines mehrstufigen Handelssystems an:
Deine Herausforderung im Preismanagement ist, dass du durch gesetzliche Vorgaben im Wettbewerbsrecht keinen direkten Einfluss mehr auf den Preis deiner Produkte hast, sobald du sie an einen Händler verkaufst. Gleichzeitig musst du mit deinem Preismanagement aber deine Erträge sicherstellen und einen attraktiven Preis für den Endabnehmer ermöglichen.
Ich steuere Preise daher schon seit langer Zeit „von unten und von oben“ - also in einem Wechselspiel zwischen Kosten, Ertrag und konkurrenzfähigen Preisen für den Endabnehmer. Ich werde dazu hier später mal einen Blogpost verfassen.
In diesem Fall ist Käse nicht gleich Käse. Du musst für den Kanal, den du bedienen möchtest, die richtigen Sortimente finden. Eine Mutter von 2 Kindern kann mit 2,5 kg Käse nicht viel anfangen, ein Industriebetrieb genauso wenig. Aber aus anderen Gründen. Es gilt also, die richtigen Produkte für den spezifischen Kanal zu finden.
Weiters hat jeder Kanal andere Anforderungen an die Logistik. Während Diskonter auf Paletten beliefert werden, verwenden Gastronomen oft Kisten oder Rollies und Konsumenten tragen die Ware einzeln aus dem Geschäft. Deine Umverpackung sollte diese Art der Verwendung und des Transports ermöglichen.
Lass mich anhand eines Praxisbeispiels verdeutlichen, was ich meine. Ein führender Produzent von exquisiten italienischen Käsespezialitäten bietet in Italien eine breite Palette an erstklassigen Zutaten für Pizzerien an. Beeindruckender Weise ist nahezu das gesamte Sortiment auch in Österreich erhältlich. Doch eine kürzlich durchgeführte Storecheck-Analyse ergab, dass praktisch keine Pizzeria in Österreich Produkte dieses Herstellers oder einer seiner Marken im Angebot führt.
Was ist passiert? Man hat sich in Österreich sehr auf den Gastrogroßhandel verlassen, ohne ausreichend über die Ziele zu kommunizieren. Dieser hatte die Pizzerien nicht als interessante Zielgruppe auf seinem Schirm, da diese meist von spezialisierten Händlern beliefert werden. Gründe dafür gibt es viele: spezielle Sortimente, unterschiedliche Sprachen und Kulturen, wenig Know-how über dieses Segment …
Besonders relevant ist dabei, dass in ganz Europa ‘Pizza’ im letzten Jahrzehnt ein riesiger Trend war und ist. Es musste also gelingen, direkt an die Pizzerien heranzukommen, um auch dort die italienischen Spezialitäten zu verkaufen.
Wir konnten das wie folgt lösen:
Die Kommunikation und die Kontrolle der Kommunikation hin zum Kunden stellt also eine notwendige Komponente dar, wenn du dir eine Strategie in Multilevel-Vertriebs-Systemen überlegst. Die Kontrolle über die Durchdringung der Märkte und Inhalte der Botschaften wird entscheiden, ob du in dem Kanal erfolgreich bist - oder eben nicht.
Am Beispiel des systematisierten Lebensmittelhandels, in bekannten Netzwerken wie REWE, Spar, Hofer … in Österreich, lassen sich einige Vorteile dieser Systeme für dein Unternehmen festmachen:
Eine Münze, zwei Seiten - es können sich auch Nachteile für dein Unternehmen ergeben:
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